Wer war Maria Montessori?
Maria Montessori lebte von 1870 – 1952. Sie war Ärztin, Naturwissenschaftlerin und Pädagogin. Sie trat für die Abschaffung der Kinderarbeit und für die Emanzipation der Frau ein. Als erste italienische Frau erwarb sie 1896 in Rom den medizinischen Doktorgrad. Von 1900 – 1908 lehrte sie als Professorin in Rom, wo sie auch das erste Kinderhaus für 3- 6 jährige Arbeiterkinder gründete. Sie lehrte eine Pädagogik, die nicht vom Erwachsenen, sondern vom Kinde ausgeht. Sie entdeckte das Kind auf ihre Weise. Sie begab sich in seine Lebensumwelt und erkannte, dass jedes Kind in sich selbst die Kraft zur Entwicklung trägt.
Was bedeutet Montessoripädagogik für uns heute?
Wir als Erzieherinnen nutzen unsere Kenntnisse aus Fort – und Weiterbildung, Selbststudium und aus der Zusatzqualifikation zum Montessorierzieher und Heilerzieher, um das Leben in unserem Kinderhaus zu organisieren. Dabei erleben wir oft, dass Entscheidungen, die wir früher aus dem Bauch heraus getroffen haben, in der Theorie Maria Montessoris wiederzufinden sind. Durch bewusste Eigenbeobachtung nehmen wir unser Handeln viel besser wahr. Laut Montessoripädagogik ist Beobachtung eine hohe Kunst, um herauszufinden, was ein Kind in diesem Moment für seine Entwicklung braucht- nicht, wie so oft fehlinterpretiert, was es will.
Der sächsische Bildungsplan –Arbeitsgrundlage für jede Erzieherin, beinhaltet die neuesten Erkenntnisse aus der Hirnforschung. Diese bestätigen die Sicht Maria Montessoris auf das Lernen von Kindern.
Maria Montessori entdeckte, dass Kinder in der Lage sind, sich über eine längere Zeit einer Sache hinzugeben und konzentriert zu arbeiten. Dieses Phänomen, “die Polarisierung der Aufmerksamkeit“, ist für die Entwicklung der Persönlichkeit entscheidend.
Es braucht bestimmte Bedingungen um immer wieder auftreten zu können:
Die freie Wahl der Arbeit
Sie wird oft von Unwissenden als antiautoritäre Erziehung bezeichnet. Sie hat damit nichts zu tun. Jedes Kind hat nach Montessori einen inneren Bauplan. In diesem liegt fest, zu welchen Zeiten das Kind bestimmte Dinge am besten lernen kann. Das Kind wählt aus den bereitstehenden Materialien, die kindgerecht dargeboten werden, etwas aus. Erst wenn es den Erwachsenen um Hilfe bittet, greift dieser ein und zeigt die Handhabung des Materials.
„Aber höre ich Sie sagen, sollen wir die Kinder tun lassen was sie wollen? Wie können sie wissen, was das Beste für sie ist, wenn sie keine Erfahrungen haben? Und denken Sie, was für kleine Wilde sie würden, wenn wir sie nicht Manieren lehrten.“ Und ich würde antworten: „Haben Sie jemals Ihren Kindern auch nur an einem Tag die Chance gegeben zu tun, was sie möchten, ohne dass Sie sich einmischten ? Versuchen Sie es und Sie werden erstaunt sein.“
( Maria Montessori )
Zeitfreiheit
Jedes Kind hat sein eigenes Lerntempo. Es kann beliebig oft wiederholen. Niemand hat das Recht, es bei seiner einmal gefundenen Tätigkeit, auf die es sich gerade konzentriert, zu unterbrechen. Unsere Kinder haben viel Zeit zum Ausprobieren, Erfahrungen zu machen, bis sie einen Vorgang durchschauen.
„Da ist noch etwas, vielleicht das Wichtigste und Schmerzlichste, was gesagt werden muss: Der unüberwindbare Unterschied zwischen uns Erwachsenen und unsern Kindern ist der: Kinder haben mehr Zeit.“
( Micha Hilgers )
Die vorbereitete Umgebung
Dazu gehört für unsere Kinder das gesamte Haus und die Außenanlagen. Die Kinder genießen Bewegungsfreiheit und erfahren Geborgenheit. Die gesamte Umgebung regt die Kinder an Erfahrungen zu machen und zu lernen. Die Türen der Räume stehen während des Freispiels – der Freiarbeit – offen. Es gibt keine Tabuzonen. Offene Regale erlauben jedem Kind aus dem vorhandenen Material auszuwählen. Jedes Ding hat seinen Platz, an den es nach der Arbeit wieder gestellt wird. Die klare Ordnung in der Umgebung gibt dem Kind Sicherheit.
„Die Aufgabe der Umgebung ist nicht, ein Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren.“
( Maria Montessori )
Der Montessorierzieher
Er ist das Bindeglied zwischen der vorbereiteten Umgebung und dem Kind. Er gestaltet die vorbereitete Umgebung nach der genauen Beobachtung der Kinder. Einsicht und Geduld, gute Beobachtungsgabe und Unterscheidungsvermögen, Takt, Erfahrung und Nächstenliebe zeichnen den Montessorierzieher aus. Er vertraut durch seine uneingeschränkte Liebe zum Kind. Dieses Vertrauen findet man sehr bald in der Praxis bestätigt. Die Kinder fühlen sich ernst genommen und angenommen. Gegenseitige Achtung und Wertschätzung lassen ein echtes partnerschaftliches Miteinander entstehen. Der Montessorierzieher ist jederzeit bereit, wenn das Kind ihn braucht.
„Hilf mir, es selbst zu tun!“
Dieser Satz ist zu einem Leitspruch der Montessoripädagogik geworden.
Er drückt aus, welche Rolle der Erzieher einnehmen muss, um das Kind in seiner Entwicklung zu begleiten. Für jeden Erwachsenen der sich mit dieser Art der Pädagogik befasst, setzen unwillkürlich Entwicklungsprozesse ein, denen er aufgeschlossen gegenüber stehen muss, um erfolgreich arbeiten zu können.
„Mit einer Kindheit voller Liebe aber, kann man ein halbes Leben hindurch für die kalte Welt aushalten.“
( Jean Paul )
Soziale Erziehung
Altersgemischte Gruppen schaffen eine Familiensituation. Jedes Material ist nur einmal im Gruppenraum vorhanden. Die Kinder lernen sich abzusprechen, wer wann damit arbeitet. Ältere Kinder übernehmen schon mal die Rolle des Erziehers und erklären einem Kind die Handhabung des Materials oder helfen dabei, sich im Kinderhaus zurechtzufinden.
Im Laufe der Zeit entwickeln die Kinder ein gesundes Selbstbewusstsein, viel Neugier – bekanntlich der Motor jeder Entwicklung – und gute kommunikative Fähigkeiten. Durch offene Gruppenarbeit entwickelt sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl aller Kinder im gesamten Haus.
„Frei ist nicht, wer tun kann, was er will, sondern wer wollen kann, was er tun soll“
( Matthias Claudius )
Das Montessorimaterial
Es gibt Materialien für die Übungen des praktischen Lebens, Sinnesmaterial, Material für die Bereiche Mathematik, Geometrie, Sprache, Musik, Kosmische Erziehung und Religion.
Die meisten der bereits schon vor hundert Jahren entwickelten Lernhilfen haben heute für unsere Kinder die gleiche Bedeutung wie damals. Gerade in unserer hektischen und mit Reizen jeglicher Art überfluteten Zeit, brauchen die Kinder mehr denn je Gelegenheit Grunderfahrungen zu machen, die ihnen helfen sich im Leben zu recht zu finden.
Das Sinnesmaterial bezeichnet Montessori deshalb auch als „Schlüssel der Welt“. Die Kinder lernen beim Umgang mit diesem Material Eigenschaften der Dinge, isoliert von anderen Eindrücken kennen.
Alle Materialien sind in Körben oder auf Tabletts für einzelne Übungen vom Erzieher vorbereitet.
Das Kind erfährt beim selbstständigen Umgang damit Eigenschaften wie groß – klein, dick – dünn, laut – leise, rauh – glatt. Es lernt diese auch nach der Darbietung der Erzieherinnen zu bezeichnen und kann sie dann in seiner Umgebung wiederfinden und einordnen.
Farben und Formen, Gerüche, Oberflächenbeschaffenheit oder Temperatur lernen die Kinder auf diese Art und Weise kennen.
Die in jedem Material vorhandene Fehlerkontrolle führt das Kind zur Unabhängigkeit vom Erwachsenen und zur Selbstständigkeit. Erkennt das Kind selbst Fehler, erlebt es diesen nicht als negative Erfahrung. Er stellt für das Kind vielmehr einen Anreiz dar, die Tätigkeiten zu wiederholen.
Die mögliche Selbstkontrolle ermöglicht dem Kind ein Lernen um neue Einsichten zu gewinnen und nicht um von irgendeinem anderen anerkannt zu werden.
Hält man die Grundprinzipien Montessoris bei der Herstellung von Material ein, können kreative Erzieher jederzeit neue Dinge herstellen, die dem Kind in seiner Entwicklung helfen.
(Auszug aus unserer aktuellen, pädagogischen Konzeption)